Auf dem Nähkästchen

 

 

In der guten alten Zeit, verwahrten die Damen der feinen Gesellschaft ihre Handarbeitsutensilien in einem edlen Holzkästlein. Dieses Kistchen führten die Frauenzimmer alsdann mit sich, wenn sie zu Nähnachmittagen gingen und sich bei Tee und Gebäck die Zeit mit Handarbeiten und Plaudereien vertrieben.

 

Dachten die Männer zumindest lange! Doch spätestens seit Theodor Fontane Licht in die Niederungen dieses speziellen, unverzichtbaren, weiblichen Utensils gebracht hatte, sind sie eines Besseren belehrt!

 

So waren diese feinen Kästchen nicht nur der Aufbewahrungsort für allerlei Kurzwaren, vielmehr wurden dort auch Briefe und andere Geheimnisse im unergründlichen Inneren verwahrt und so dem Tageslicht und vor allem den allzu neugierigen Blicken der Männerwelt entzogen. Lediglich im vertrauten Freundinnenkreis fanden sie Verbreitung.

 

Doch diese Zeiten liegen lange zurück. Während heutzutage auf die Reparatur jahrelang getragener Textilien keinen Wert mehr gelegt wird, dafür aber in der Öffentlichmachung auch der allerletzten privaten Heimlichkeiten, haben auch die guten alten Nähkästchen ihren Sinn eingebüßt. So sind sie aus den meisten Haushalten verschwunden, wie eine Tierart, die vom Aussterben bedroht ist.

 

Ab und an läuft einem dann doch noch ein einzelnes Exemplar über den Weg und man denkt unvermittelt, Ach, die gibt es noch?!

 

So konnte auch meine holde Gattin ein solches Kästchen retten und bot ihm fortan Obhut. Jenes Möbel war schon da, als ich selbst in den Haushalt aufgenommen wurde. Über die Jahre gewöhnte ich mich an diesen Anachronismus und ich widerstand selbstverständlich der Versuchung das Innere zu erforschen, um Dinge zu Tage zu fördern, die mich nichts angingen. Auch wenn es mir, zugegebener Maßen schwer fiel, unterstellt mir meine Gattin doch eine gewisse Vorwitzigkeit!

 

Um irgendeine Zeit fasste besagtes Kästchen Zutrauen zu mir und wich kaum noch von meiner Seite. Bald schon tätschelte ich meinem treuen Begleiter gelegentlich den Deckel und zum Dank durfte ich dann Kleinigkeiten auf seinem geblümten Köpfchen abstellen. Mehr noch, immer wenn ich meine Schaugläser oder mein Weinglas auf ihm parkte, schnurrte es behaglich. So wurden wir beide beste Freunde, ähnlich, wie es Hund und Herrchen sind oder Ross und Reiter.

 

Mittlerweile ist mein Nähkästchen ein unverzichtbares Utensil, beim Ersinnen und Festhalten meiner Geschichten, genauso unverzichtbar wie seinerzeit für die Damen der feinen Gesellschaft.

 

Mit einem kleinen Unterschied!

 

Waren sie früher eher ein Hort stiller Verschwiegenheit und dem Austausch gehüteter Geheimnisse nützlich, dient unser gutes Stück genau dem Gegenteil!