Seine Holde hatte ihn schon immer gehasst! Wobei Hass es gar nicht richtig ausdrückte. Sie hasste ihren Nachnamen nicht im eigentlichen Sinne, aber mögen tat sie ihn eben auch nicht!

Braun!

Laut Wikipedia eine gebrochene Farbe und so fühlte es sich auch an, als ihn nun zum ersten Mal als Teil ihrer Unterschrift zu Papier brachte. Ein überaus eigenartiges Gefühl. Nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Aber eben auch nicht richtig. Ein wenig so, als wenn man zum Jahreswechsel sich daran gewöhnen muss, nicht immer die alte Jahreszahl ins Datum einzufügen.

Die jetzige Frau Braun seufzte. So würde es von jetzt an immer sein, wenn sie unterschrieb. Egal, ob es bei einem Kaufvertrag sein würde oder schlicht bei der Kartenzahlung an der Supermarktkasse.

Da nutze es wenig, dass ihr Göttergatte nichts unversucht ließ, um ihr den gemeinsamen Familiennamen doch noch schmackhaft zu machen. So sei braun ein Synonym für das westliche Schönheitsideal und für die Erde an sich, wie der Ehemann wissend referierte.

 

Selbst in die deutsche Barockdichtung hatte diese schönste aller Farben Eingang gefunden.

Hernieder ist der Sonne Schein/Die braune Nacht bricht stark herein, wie es in einem alten Kirchenlied so trefflich hieß!

Doch allein, es half nichts! In den folgenden Jahren wollte es der bedrückten Ehefrau nur schwer gelingen sich mit ihrer zugewonnenen Namensergänzung anzufreunden.

Immer wieder fragte sie sich, wie es nur hatte dazu kommen können? Nicht diesen Mann zu heiraten. Nein, nein, der ging ja so!

Aber gleich seinen Namen anzunehmen. Hatte das sein müssen? Doch sie kam zu keinem Schluss!Am Ende einigte sie sich mit sich selbst, dass sie es getan hatte, um ihrem damaligen Zukünftigen wenigstens das   Gefühl   zu geben auch irgendetwas durchgesetzt zu haben.

Ein probates Mittel der holden Weiblichkeit seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte.
Ihr kamen ihre Vorgängerinnen in den Sinn; Kleopatra oder Madame de Pompadour. Auch diese großen Frauen hatten ihren Auserwählten das vermeintliche Heft des Handelns überlassen und hatten so Weltruhm erlangt. Das es mit diesen großen Damen der Historie kein gutes Ende genommen hatte, verdrängte sie dabei. Es wurde höchste Zeit es besser zu machen!

So gingen die Jahre ins Land und der Stich, den es ihr versetzte, wenn ihr Angetrauter auf Nachfrage immer wieder aufs Neue flötete, Braun; wie die Farbe!, vernarbte allmählich!

Zu ihrer großen inneren Freude hatte er von dieser abscheulichen Floskel in den vergangenen Jahren auch immer seltener Gebrauch gemacht, so dass sie allmählich Frieden schloss mit ihrem Anhängsel.

Dann kam ein Geburtstag. Und mit dem Geburtstag eine Reise nach London.

Man entstieg dem Flugzeug, fuhr mit der tube in die City und checkte im St. James Palace Hotel ein. Die mondäne Eingangshalle nahm das Ehepaar aus der Provinz vollkommen für sich ein und weckte Vorfreude auf einen unbeschwerten Aufenthalt.

Marmorner Fußboden, edle Tropenholzvertäfelungen und lederne Cocktailsessel. Alles in diesem Empfangssaal atmete den Duft des British Empire!

Die Holde wusste nicht genau zu sagen, ob es an dem erdrückenden Ambiente lag oder allgemein an der fremden Umgebung. Auf jeden Fall stellten sich bereits beim Betreten der Halle die Nackenhaare des baldigen Geburtstagskindes auf. Sie sah ihren Ehegatten an, der souverän die Rezeption ansteuerte und beschloss dieses ungewisse Gefühl zu ignorieren. Im Grunde hatte er ihr in den vergangenen Monaten trefflich wenig Anlass zur Sorge gegeben. Also hakte sie sich fest unter und nahm sich vor das Kommende zu genießen.  

Man trat an den Tresen und die junge Ehefrau verfolgte gespannt das Eincheckritual.

„Good afternoon, together. How can i help?“, strahlte die Perle des Empfangs.

Das selbsternannte Familienoberhaupt nahm den Ball freudig auf und parierte die Frage mit bestem Schulenglisch.

Nachdem er sein Anliegen nach einem weit im Voraus reservierten Zimmer zielsicher angebracht hatte, füllte die Hoteldame emsig den Anmeldebogen aus. Schließlich lief alles auf eine bestimmte Frage hinaus und ein Schütteln durchlief die treusorgende Gattin.

Ein lange unterdrücktes Gefühl von Panik ergriff von ihr Besitz. Und das aufmunternde Zuzwinkern ihres Ehepartners tat ein Übriges.

„Whats your name. Sir?“

Der Stolz, der den Ehemann durchflutete, ließ ihn fast einen Meter größer erscheinen. Dann sagte er mit einer tiefen Überzeugung, wie man sie nur durch ein Stahlbad unzähliger Vokabeltests erlangt, „Brown, like the colour!“

Ob die Holdeste aller Ehefrauen wusste, wie ihr geschah, konnte sie später nicht mehr so recht sagen. Aber offensichtlich hatten ihr die Sinne versagt und sie hatte sich einer gnädigen Ohnmacht hingegeben.

Als sie die Augen wieder aufschlug, stand ihr treusorgender Ehemann an ihrem Bett und hielt einen Strauß englischer Moosrosen in den Händen. Das offenkundige Bedauern, welches er dabei an den Tag legte, erwärmte ihr Herz aufs tiefste. Da machte es fast gar nichts, dass sie ihr Wiegenfest in einem tristen englischen Großraumkrankenzimmer verbracht hatte und die beiden noch am selben Tag die Heimreise antreten mussten.

So war das einzige, was die junge Frau vom Lande von der großen Stadt gesehen hatte, die Untergrundbahn Londons. Aber das war gleichgültig, denn zum Ausgleich musste sie in der Folge nie wieder diesen entsetzlichen Spruch ertragen;

 

Braun...wie die Farbe!