Karoli Magni Rex Langobardorum

Auszug aus Vita Karoli Magni

 

Der Grund, warum ich diese Zeilen zum Ende meiner Tage niederschreibe, sind weder meine besonderen Fähigkeiten im Führen der Feder, noch rühme ich mich einer besonderen Rhetorik. Gleichwohl hatte es unser Herr und Gott verfügt, dass ich all jenen Ereignissen beiwohnen durfte, von denen ich hier Zeugnis ablege.

 

Darum möge es mir der geneigte Leser nachsehen, wenn ich an mancher Stelle die wunderbaren Taten unseres großen Königs Karl ein wenig zu prachtvoll darlege, denn ich versichere, es geschah keinesfalls aus Hochmut.

 

Einhardt, Abt des Klosters zu Seligenstadt

So begab es sich in diesen Tagen, dass ein heftiger Zwist die Brüder entzweite. Am Ende seines Lebens hatte König Pippin verfügt, dass das Reich der Franken unter seinen Söhnen Karl und Karlmann aufgeteilt werden solle.

 

Karl, der Erstgeborene bekam die Ländereien Neustrien, Austrasien, sowie das westliche Aquitanien zugesprochen und Karlmann sollte künftig über den östlichen Teil Aquitaniens, Burgund, die Provence, das Elsass, sowie Alamannien herrschen.   

 

Als nun der junge Karlmann sich anschickte mit seinem Gefolge in sein neues Königreich zu ziehen, gab die hochherrschaftliche Königsmutter Bertrada, die am Hofe König Karls zu weilen gedachte, ihrem jüngeren Sohn einige Laibe Panis Focācius mit auf die lange Reise. Auch das Rezept für diese Spezialität, welche schon den Großen des Imperium Romanum zu schmecken wusste, steckte die liebevolle Mutter der Schwiegertochter zu, allein, weil es dem Sprössling schon immer so gemundet hatte. Und um ein starkes Band zwischen den künftig fernen Brüdern zu knüpfen.

 

Allein, der listige Plan misslang.

 

War doch unser großer König einigermaßen verstimmt über die eigenmächtige Handlung seiner Mutter. Denn auch er schätzte das exzellente Brot, welches die Römer einst schon buken, über die Maßen. So drang er fürderhin auf die Herausgabe des einen Rezeptes.

 

Um eine Zeit erkrankte der Karlmann schwer und schon kurze Zeit später gefiel es unserem Herrn und Gott den König des südlichen Frankenlandes zu sich zu rufen. Unser großer König Karl haderte keinen Augenblick und nahm sich der vakanten Ländereien an. Galt es doch die gottgewollte Herrschaft der Karolinger im gesamten Reich zu sichern.

 

So machte sich der große König Karl alsbald auf den Weg, um den verwaisten Thron zu besetzen, den sein Bruder hinterlassen hatte. Gleichwohl gab es einen weiteren Anlass, einen tiefen Stachel im Fleisch unseres Herrschers. War doch die Zeit gekommen jenes lang und schmerzlich vermisste Brotrezept wieder in Besitz zu nehmen.

 

 

 

Doch als Karl mit seinem Gefolge in der Königspfalz des Karlmann eintraf, fand er sie verlassen vor. Sowohl dessen Weib Geperga als auch die beiden Söhne waren ins Reich der Langobarden entflohen und die ersehnte Backanleitung hatten sie mit sich genommen.

 

 

In den Tagen, als unser großer König eben erst die Sachsen niedergerungen hatte. Tief waren er und seine Mannen in das Land der Heiden vorgestoßen, hatten die Eresburg erobert und das Heiligtum der Götzendiener, die Irminsul zerstört und so die östliche Grenzen gegen Angriffe gesichert.

 

Als ein Gesandter des Bischofs von Rom darum bat vorsprechen zu dürfen. Papst Hadrian I. erflehte den Beistand unseres Herrschers gegen den Tyrannen Desiderius. Der hinterhältige Langobardenkönig drohte offen damit gegen die Heilige Stadt zu ziehen.

 

Seit den Tagen des großmütigen Pippin stand das Petrusgrab unter dem besonderen Schutz der Franken. Anlass genug für den gerechten König, dem flehenden Ruf Folge zu leisten und die Alpen zu überqueren. Allein, der Schutz des Papstes war nicht der einzige Beweggrund des Feldzuges. Wähnte Karl doch die entfleuchte Geperga in Pavia und mithin jenes Brotrezeptes, welchem er immer noch nachhing.

 

Die ruhmreiche Armee des Frankenreiches schlug den Desiderius auf offenem Feld und belagerte, nachdem der in seine Feste geflohen war, Pavia. Als der Schurke nach langem Kampf niedergerungen war, zog der siegreiche Karl in die eroberte Stadt, um über die Unterworfenen zu richten.

 

Der gerechte Frankenkönig nahm die Krone des Langobardenkönigs an sich und schenkte seinem einstigen Widersacher großmütig sein verwirktes Leben.

 

Die abtrünnige Geperga fand Karl jedoch nicht. Sie war erneut geflohen, als die Kunde von der verlorenen Schlacht in die Stadt gedrungen war. So kehrte der König der Franken siegreich heim. Fürderhin trug er den stolzen Titel: Rex Francorum et Langobadorum. 

 

Besagtes Brotrezept, vermochte der König jedoch nicht zu erringen. Es schien auf immer verloren.

 

Im Jahre des Herrn 799 eilte der neugewählte Papst Leo III. gen Norden in die Pfalz Paderborn, wo der König der Franken und der Langobarden in diesen Tagen Hof hielt. Der Bischof von Rom bangte um sein Wohlbefinden. Der römische Adel betrieb einigen Dünkel und trachtete dem Papst nach dem Leben. Der gerechte König, der immer noch den Schutz der Heiligen Stadt garantierte, haderte nicht und ließ den Papst mittels einer Reiterschar nach Rom geleiten und dortselbst bewachen.

 

Im Sommer des folgenden Jahres zog der große König höchstselbst nach Italien. Hielt Hof in Verona und Pavia, nur um im November in der Heiligen Stadt selbst einzutreffen.

 

Es begab sich zur Feier der Geburt unseres Heilands, dass der Papst in die Basilika Sankt Peter rief. Unser König jedoch mahnte zur Obacht, wähnte er doch eine Arglist hinter der Einladung zur heiligen Messe. Befürchtete Karl jedoch eine reparātio für den fränkischen Beistand.

 

So kam es, dass am 1. Weihnachtstag des Jahres 800 in der Basilika unser großer König sich am Grab des seligen Apostel Petrus zum Gebet niederließ, und als er sich erhob vom Heiligen Vater eine Krone aufs Haupt gesetzt bekam. Die Anwesenden brachen in Lobpreisungen und Jubel aus und so wurde er fortan Kaiser und Augustus genannt.

 

Unser großer König wandte nach der Messe an Papst Leo III., um ihn zur Rede zu stellen. Die Arglist hinter diesem Treiben trieb Karl die Zornesröte ins Gesicht. Nie und nimmer strebte er ein anderes Amt an als das eines gerechten Königs. Eben wollte er den Papst anfahren, als dieser eine Pergamentrolle aus der Sutane zu Tage förderte.

 

Unser König nahm das Schriftstück entgegen und entrollte es gekonnt.

 

Was er dann sah, ließ ihn in seinem gerechten Zorn innehalten. Hielt er doch eben jenes verloren geglaubte Rezept des Panis Focācius in Händen.  

 

Unser großer und gerechter König, der siegreich aus allen Schlachten hervorgegangen war, benötigte einen mōmente, um seine Fassung zu wahren. Dann dankte er dem Bischof von Rom und rollte das Schriftstück wieder ein.

 

Bereits am Morgen des folgenden Tages ließ mein Herr mich rufen. Er beauftrage mich, seinen unwürdigsten Diener, mit der Kopie dieser einzigartigen Rezeptur, auf dass sie für alle Zeit dem Frankenreich erhalten bleibe.

 

Ich fertigte drei dieser Kopien an. Eine beließ unser großer König beim Papst. Dieser reichte es am Feiertag der Heiligen drei Könige an das Römische Volk weiter, um die Großherzigkeit des neuen Kaisers zu preisen.

 

Eines überreichte er, während er dort Hof hielt, dem Stadthalter von Verona. 

 

Und die dritte Kopie behielt unser gerechter König stets bei sich, um nie wieder jenes Brot seiner Kindheit zu missen.

 

Das Original jedoch ließ der Frankenkönig in den Grundstein der neuen Pfalzkapelle zu Aquis villa legen, seiner zukünftigen Residenz, mit prächtigen Jagdgründen und erquickenden Bädern, auf dass es für alle Zeiten ein fester Bestandteil des Königreiches der Franken und Langobarden sein solle …