Ganz schön hell hier!

 

Tatsächlich hatte die große Liebe seines Lebens ein glückliches Händchen im dekorieren der gemeinsam genutzten Wohnung.

 

Den Jahreszeiten entsprechend erfreute sie ihren Göttergatten mit ständig wechselnden Interieurensembles.

 

Zum Beginn des Frühlings staffierte sie alles treppauf, treppab mit niedlichen Häschen, Eiernestern oder Weidekätzchenzweigen aus. Nicht zu vergessen ein überbordendes Angebot an Osterglocken auf jedem freien Fenstersims.

 

Im Sommer dann, lag das Hauptaugenmerk auf der ausladenden Außenterrasse, die mit allerlei Blumenschmuck, einer aufwendigen Brunnenanlage und einer Batterie von Solarleuchten auch des Nächtens in ein ansehnliches Licht gerückt wurde. Wenn dann noch bei Eintritt der Dunkelheit die Schwedenfeuer entzündet wurden, wähnte man sich gerne an den Stränden Acapulcos.   

 

Im Herbst schließlich verwirklichte sich die Holde dann wieder im Inneren der Wohnung. Ob Igel, Kastanientierchen oder Fenstergirlanden in Form von Filzeulen, die einen mit ihren durchdringenden Augen auf Schritt und Tritt fixierten. Es gab einfach nichts, was es in der heimeligen Behausung nicht gab. Außer Kerzen vielleicht. Immer klagte die Herzallerliebste über einen evidenten Mangel an Kerzen!    

 

In der dunklen Jahreszeit jedoch lief die geliebte Ehefrau zur absoluten Höchstform auf. Es begann mit achtlos platzierten Tannenreisern, die spielerisch, mal hierhin, mal dorthin geworfen, wirkten, als ob ein Rentier sie im wilden Galopp verloren hätte. Dann, gleich nach Totensonntag zündete die zweite Eskalationsstufe. Eine Unzahl an niedlichen, leicht übergewichtigen Nikoläusen besetzte Ecken, Stufen und Vitrinen, die noch vor dem ersten Advent nach und nach von silbrig glänzenden Elchen ergänzt wurden.

 

Am ersten Advent schließlich wendete sich die kleine Lebensgemeinschaft gegen die einsetzende Dunkelheit mit Hilfe jener Kerzen, deren Fehlen noch zum Ende des Herbstes so schmerzlich beklagt wurde. Stück für Stück entzündete man Kerzenkörper für Kerzenkörper und erfreute sich an der einsetzenden Illumination.  

 

Zum zweiten Advent bat sich die oberste Raumausstatterin trockenes Weidengeäst, mehrere künstliche Fichtengirlanden, sowie eine mittelgroße Herde von Rentieren aus, allesamt mit neuester LED Technik, selbstverständlich. Den kurz eingeworfenen Einwand, es könne vielleicht ein wenig eng werden in der kleinen Wohnung, quittierte die Teuerste mit der lakonischen Entgegnung, ihm würde schon was einfallen.

 

Der findige Ehegatte mietete einen Container und ließ die ersten Möbelstücke einlagern. Unten im Keller erwachte der Stromzähler aus seiner Lethargie und die Ferrarisscheibe nahm Fahrt auf.

 

Am dritten Advent schließlich befand die Perle des Hauses es sei Zeit für die Planung des Weihnachtsfestes. Da man in diesem Jahr einige Gäste erwarte, könne ja ein Besuch im örtlichen Gartencenter nicht schaden. Dem treuen Mann wurde flau im Magen. Zu Recht, wie sich später zeigen sollte.

 

Als er dann beim Einbrechen der Dunkelheit alles hoch in die Wohnung schaffte, dankte er seinem Arbeitgeber für die rechtzeitige Überweisung der Weihnachtsgratifikation. Und während er so im dunklen Treppenhaus auf und ab hetzte, wies ihm ein heimeliges Schimmern unter der eigenen Wohnungstür sicher den Weg. Dass es beim zweiten Blick wie eine Szene aus dem Film „Unheimliche Begegnung der 3. Art“ von Steven Spielberg wirkte, schob der liebende Ehegatte lieber beiseite!

 

Als er sich dann später in seinem Ohrensessel von den körperlichen und finanziellen Folgen erholte und die Holde dabei verfolgte, wie sie die frisch erbeuteten Stücke geschmackvoll im Raum drapierte, schloss er Frieden mit seinem Schicksal. Denn wenn die Liebe seines Lebens glücklich war, dann war auch er zufrieden! Adventlicher Frieden setzte ein!  

 

In der letzten Woche musste demnach lediglich der Weihnachtsbaum beschafft werden, denn die Chefin des Organisationskomitees bestand darauf, dass die Geschenke für die Kinder, wie immer schon, unter eben jenem Baum zu liegen hätten. Dass besagte Kinder inzwischen dem niedlichen Alter längst entwachsen waren, focht die Gute nicht an, nicht im Geringsten.

 

So wurde dem Hausmann aufgetragen eine Nordmann Tanne aus biologischer Anzucht zu erwerben. Der Einwand, dass der folgsame Ehemann nicht mehr der Jüngste sei und eine Tanne ja doch recht schwer in den dritten Stock zu verbringen war, quittierte die besorgte Gattin mit ihrem lieblichsten Augenaufschlag.

 

Wer konnte da noch widerstehen?

 

Also stand schon einen Tag später das bestellte Kieferngewächs fest verankert an seinem Platz. Bereit verziert zu werden, was die emsige Dekorateuse auch gleich nach der Heimkehr in die Tat umsetzte.

 

Da begab es sich, dass alles bereitet war, als der Heilige Abend kam. Die zahlreichen Gäste wurden von weichem Kerzenschein empfangen, denn den Einsatz der elektrischen Leuchtmittel hatte man sich für später aufgespart, als besonderes „Aha-Erlebnis“ gewissermaßen.

 

So nahm man den Aperitif in weihnachtlich gedämpfter Atmosphäre ein und freute sich auf den Abend.

 

Einer in langen Jahren eingeübten Tradition folgend, sollte später noch gegessen und gemeinsam einige Weihnachtslieder gesungen werden. Aber zuerst stand die Bescherung an. Und während bei allen die Vorfreude auf ihre kleinen und großen Geschenke wuchs, platzte die Herrin des Hauses beinahe vor Erwartung endlich ihre Beleuchtung komplett ihrem Publikum präsentieren zu können!

 

So gab sie ihrem treuen Ehemann das verabredete Zeichen  und er betätigte jene zwölfköpfige Steckerleiste, die ansonsten nur in der Showtechnik zum Einsatz kommt und über eine besonders starke Absicherung verfügte.

 

Die darauf einsetzende brutale Helligkeit von annähernd 42.000 LED-Lämpchen führte bei allen Anwesenden zu einer temporären Blindheit. Es dauerte fast 30 Minuten, bis sich alle an das gleißende Licht gewöhnt hatten.

 

So wurde nach einer recht holprigen Bescherung, man war gezwungen die Geschenke zu ertasten und auf Hinweise der Schenkenden angewiesen, gemeinsam das Essen eingenommen. Dieses verlief dann deutlich problemloser. Denn inzwischen war jeder mit einer Sonnenbrille ausgestattet worden. Die Nachbarn halfen gerne aus! Es war ja Weihnachten!

 

 

 

Einzig der Techniker der Stadtwerke war am ersten Weihnachtstag ein wenig missgestimmt. War es doch nötig geworden, den alten Stromzähler auszutauschen. Der alte war durchgebrannt. Aber ein paar Kekse und eine eilig verpackte Flasche Wein vermochten es am Ende ihn doch noch milde zu stimmen.

 

Ja, Weihnachten war doch das Fest der Liebe!