Ostern

 

Es begab sich zur Feier des allerhöchsten Kirchenfestes, als die holde Gattin bemerkte, dass es in der gemeinsamen Wohnung an Osterdeko mangele!

Für einen aufmerksamen Vertreter seiner Spezies war es spätestens jetzt an der Zeit Obacht walten zu lassen! In einem stillen Augenblick scannte er die Räumlichkeiten. Zielgerichtet prüfte er das Vorhandene und verglich es mit beiläufig liegen gelassenen Werbeprospekten oder der allgegenwärtigen Fernsehwerbung und war geneigt, seiner besseren Hälfte zu zustimmen.

Wie es die guten Ehemänner, auch abseits des Weltfrauentages zu tun pflegen, erdachte er einen Plan, jenen Mangel in adäquater Form beizulegen. So durchforstete er fortan sämtliche Medien nach entsprechenden Abhilfen. 

Um eine Zeit fühlte sich der aufgeklärte und kostenbewusste Ehegatte bereit, sich dem Markt zu stellen. Galt es doch der Liebe seines Lebens eine Freude zu bereiten! 

Hatten noch vergangene Männergenerationen die durchaus fassbare Möglichkeit ihrer Angebeteten einen Beweis ihrer Liebe abzuliefern, den Kopf eines beiläufig erlegten Drachen beispielsweise oder zumindest das Propellerblatt eines kürzlich abgeschossenen feindlichen Piloten, so blieb den heutigen Männern lediglich ein Erfolg auf dem schlüpfrigen Parkett des Konsums!

Nachdem sich also der willige Käufer einen Überblick über das üppige Angebot dieser Tage gemacht hatte, entschied er sich schließlich für den Erwerb einiger Ziereier, dreier Hasengirlanden, sowie eines Osterkranzes aus lackiertem Gehölz.

Stolz trug er das Ergebnis seiner Jagd in das traute Heim, um es seiner Gattin vorzulegen. Als die Holde das liebevoll zusammengestellte Ensemble erblickte, hüpfte sie fröhlich zu ihrem Ehemann und versah ihn mit einem zärtlichen Kuss.

Ein einfach gestrickter Mann hätte zufrieden sein können, hätte glücklich sein können über den Dank seiner Holden. Aber unser Freund war leider mit einem scharfen Verstand gesegnet. So hatte sich schnell ein Gefühl des Zweifels in seinem Hirn verbissen. Hatte sich festgekrallt und wollte sich partout nicht vertreiben lassen.

Etwas schien der Geliebten zu fehlen. Ein Utensil schien sie zu vermissen, schmerzlich!

Der Verständige vermutete gleich, was es war! Die Liebe seines Lebens pflegte eine besondere Affinität zu Servietten. Dieser liebliche Tick, der gelegentlich ein wenig zwanghaft anmutete, veranlasste seine Geliebte Tissuepapier in allen Farben und Formen, sowie zu jedem erdenklichen Thema zu horten. Angefangen hatte diese charmante Marotte mit einem Paket Nikolausservietten, welche der damals junge Mann auf Freiersfüßen, seiner Angebeteten darbrachte, um die Tafel des ersten gemeinsamen Weihnachtsfestes zu schmücken. Von da an gab es kein Halten mehr. Seit diesen frühen Tagen hatte die Dame des Hauses alles gesammelt, was bunt war und viereckig gefaltet.

Diese Sammelleidenschaft trieb nun inzwischen recht eigentümliche Blüten. So waren sämtliche Schränke der kleinen gemeinsamen Wohnung mit Servietten bestückt. Egal ob man eine Schranktür öffnete, um ein Paket Nudeln zu suchen oder eine Schublade herauszog, ja selbst im Aktenschränkchen, immer strahlten einem die bunten Tüchlein entgegen.

Inzwischen war der Vorrat so weit angewachsen, dass die in der Nähe gelegene Villa Hammerschmidt sich gerne bei gelegentlichen Staatsbanketten, aus der Verlegenheit helfen ließ. Der Staat spart halt, wo er kann!

Dem fürsorglichen Ehemann hingegen blieb nur eins, er warf sich seinen Mantel über, griff sich Stock und Hut und eilte zurück in die Stadt und er kehrte erst zurück, als er die Regale sämtlicher Fachgeschäfte leergefegt hatte.

Die ehrliche Freude und das zufriedene Seufzen seiner geliebten Gattin waren schließlich Lohn genug!

Und während die glückliche Ehefrau daran machte ihre neuesten Errungenschaften an die entsprechenden Stellen zu verbringen, tat der erschöpfte Gatte das, was erschöpfte Männer eben tun, wenn sie sich ein wenig Erholung mehr als verdient haben. Er goss sich einen trockenen Rotwein ein, wählte ein Comicheft aus seiner 17.500 Alben umfassenden Sammlung, holte einen Tonträger aus dem wandfüllenden Schallplattenregal und machte es sich in seinem Ohrensessel bequem. Während er sein Heftchen aufschlug, warf er einen letzten Blick auf seine holde Geliebte, wie sie gleich einem Eichhörnchen durch die Wohnung hüpfte und ihre Päckchen mal hierhin, mal dorthin verteilte, um sie für die kalten Tage in Sicherheit zu bringen.

Belustigt schüttelte er den Kopf. Frauen und ihre Sammelei, er würde es nie verstehen!